Mit Urteil vom 22. Mai 2019 (I R 11/19) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung in gewissen Fällen gegen EU-Recht verstoßen kann. Konkret ging es um die fehlende Gegenbeweismöglichkeit in Drittlandsfällen im Kontext der Sonderregeln für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter. Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache „Cadbury Schweppes“ entfällt bei Zwischengesellschaften in der Europäischen Union die Hinzurechnungsbesteuerung, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Zwischengesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in ihrem Ansässigkeitsstaat nachgeht. Drittstaatengesellschaften stand diese Nachweismöglichkeit, der sogenannte Substanz- oder Cadbury-Test, bisher nicht offen. Der Bundesfinanzhof sieht in der fehlenden Gegenbeweismöglichkeit grundsätzlich einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Dieser Verstoß könne aber in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, wenn es der Finanzverwaltung nicht möglich sei, die Angaben des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist dies dann der Fall, wenn hinreichende Auskunftsklauseln zwischen den beteiligten Staaten fehlen. Auch wenn im konkreten Urteilsachverhalt kein Verstoß gegen das EU-Recht festgestellt wurde, weil eine „große“ Auskunftsklausel im Sinne des Artikel 27 des OECD Muster Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz für den für das Urteil maßgeblichen Zeitraum nicht gesichert war, wird deutlich, dass dies nicht immer so sein muss. Bestehen für die Finanzverwaltung ausreichende Informationsmöglichkeiten, die Nachweise über die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft zu überprüfen, verstößt eine Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.